top of page

Märkische Allgemeine Zeitung 23.06.2017

Senioren bilden Wohngemeinschaft

In Kähnsdorf hat der Handelskaufmann Dirk Hager aus Michendorf mit Hilfe eines Teltower Pflegedienstes eine Senioren-WG eingerichtet. Das soziale Projekt soll eine Alternative zur klassischen Heimunterbringung sein. Wer in die WG aufgenommen wird, entscheidet eine Auftraggeber-Gemeinschaft aus Familienangehörigen und Pflegern.

Sie haben jeweils ihren individuellen Wohnbereich im Haus. Sie helfen sich gern untereinander und verbringen einige Stunden zusammen. Aber sie entscheiden auch letztendlich jeder für sich allein, wie und mit wem sie ihren Tag verleben wollen. Sie sind keine Studentenkommune, sondern eine Senioren-WG in einem Mehrfamilienhaus in Kähnsdorf – eine Alternative zum Pflegeheim, wie der Handelskaufmann Dirk Hager aus Michendorf für sein Projekt wirbt.Als seine Eltern vor Jahren einen Schlaganfall erlitten, stand Hager plötzlich vor einem Pflegeproblem. Sie in einem Seniorenheim unterzubringen, konnte er sich finanziell auf Dauer nicht leisten. „Was mache ich erst, wenn ich selbst einmal gepflegt werden muss, dachte ich damals.“ In der Gaststätte „Zur Reuse“ in Kähnsdorf traf er auf Gabriela Büge, Mitgeschäftsführerin des Kreuzpunkt-Pflegedienstes in Teltow, der dort sein zehnjähriges Bestehen feierte, und die Idee der Senioren-WG war geboren. Nachdem das Betreuungskonzept behördlich akzeptiert worden war, ging die Wohngemeinschaft 2013 in dem benachbarten Wohnhaus an den Start.„In der WG ist die Pflege in der kleinen Gemeinschaft individueller und vertrauensvoller, weil auch der Personalwechsel selbst bei einer Betreuung rund um die Uhr geringer ist“, sagt Büge. Die Teilnahme an den gemeinschaftlichen Beschäftigungen ab Mittag ist freiwillig, und die Bewohner beziehungsweise deren Angehörige entscheiden selbst mit, was den Senioren geboten wird. Dazu trifft sich eine sogenannte Auftraggeber-Gemeinschaft aus Angehörigen und Betreuern mindestens viermal im Jahr und bespricht notwendige Baumaßnahmen, geplante Feste und andere Veranstaltungen im Haus. Kleinere Anliegen werden auch schon mal bei den regelmäßigen Besuchen der Familien bei ihren Angehörigen auf dem kurzen Weg abgeklärt. Die Auftraggeber-Gemeinschaft entscheidet gemeinsam mit Hager auch, wer in die WG aufgenommen wird. „Im Haus herrscht immer eine harmonische Atmosphäre, von gelegentlich kleinen alltäglichen Streitereien mal abgesehen. Diese Harmonie wollen wir uns natürlich bewahren“, begründet Hager die Auswahl. Bei einem Rundgang können interessierte Senioren oder Angehörige das Haus und das freie Zimmer besichtigen und der Vermieter zusammen mit dem Pflegedienst schon mal abchecken, ob der Bewerber in die Gemeinschaft passt. Bei einem positiven Ergebnis wohnt er erst einmal für einige Wochen zur Probe dort. Bevor ein neuer Bewohner einzieht, wird das betreffende Zimmer renoviert, wobei eventuelle Wünsche der Familie zur farblichen Gestaltung berücksichtigt werden. Eigene Möbel und weitere Ausstattungen dürfen ausdrücklich mitgebracht werden. „Die Senioren sollen sich auch weiterhin wie zu Hause fühlen“, sagt Hager. Der Trend zu solchen alternativen Betreuungsformen nimmt zu, stellt Pflegedienstleiterin Büge fest. Die familiäre Atmosphäre, das vertraute Wohnumfeld und die garantierte Mitbestimmung über den weiteren Lebensinhalt bewegen Senioren und Familien dazu, sich für diese Pflegemöglichkeit zu entscheiden. Mittlerweile hat Hager in fünf Häusern in Kähnsdorf, Michendorf, Bergheide und Löwendorf (Trebbin) Senioren-WGs einrichten können. Doch der Behördenweg bis dahin war steinig, musste er erfahren. Bauaufsicht, medizinische Kontrolleinrichtungen, der Brandschutz und die Behindertenvertretung machten ihre Zustimmung von vielen Auflagen abhängig. „Ich will mit den Senioren-WGs kein Geld verdienen. Ich mache das ehrlich aus Berufung“, beteuert er.

Meinungen der Bewohner über ihr Zusammenleben in der WG

Eberhard Kubon, Potsdam: Durch die verschiedenen Tätigkeiten, die wir in unserem Haus ausführen, haben wir eine vielfältige Beschäftigung. Das regt immer wieder geistig und körperlich an.

Mayk Günther, Brandenburg an der Havel: Ich mag besonders die Skatrunden und die Ballspiele. Gelegentlich gehe ich auch spazieren, in die „Reuse“ oder zur Kulturscheune.

Peter Ehlert, Ludwigsfelde: Ja, die Skatrunden sind schon toll und die Umgebung ist auch sehr schön. Man muss schon was mitmachen und selbst Initiative zeigen. Wer nur in der Ecke sitzt, hat schon verloren. Ich bin seit meiner Kindheit leidenschaftlicher Angler. Manchmal sitze ich am See und angele ein bisschen.

Werner Kalle, Kähnsdorf: Ich wohne seit 1961 in Kähnsdorf und stamme aus Schlesien. An manchen Tagen gehe ich in den Findlingsgarten und beobachte die Leute dort.

Von Heinz Helwig

bottom of page